INHALTSVERZEICHNIS
- Warum haben Spirituosen kein Zutatenverzeichnis?
- Rechtliche Grundlagen
- Was sind Zusatzstoffe?
- Warum sind Zusatzstoffe in Spirituosen?
- Der Migrationsgrundsatz
- Gruppen von Spirituosen nach Zulassung von Zusatzstoffen
- Kennzeichnungspflichten
- Zusatzstoffe in der Praxis
- Wichtige E-Nummern für Spirituosen
- Aromen in Spirituosen
- Fazit
Spirituosen-Zusatzstoffe: Welche sind erlaubt?
In welchen Spirituosen stecken welche Zusatzstoffe? Welche Funktionen erfüllen sie? Und wo findet man die rechtlichen Grundlagen? Bei Spirituosen ist die Rezeptur meist ein wohlgehütetes Geheimnis – nicht nur die Grundzutaten werden nur so weit offengelegt, wie es ins Marketing passt, auch die Rolle von Zusatzstoffen wird gerne im Kleingedruckten versteckt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele Verbraucher Zusatzstoffen skeptisch gegenüberstehen.
INHALTSVERZEICHNIS
- Warum haben Spirituosen kein Zutatenverzeichnis?
- Rechtliche Grundlagen
- Was sind Zusatzstoffe?
- Warum sind Zusatzstoffe in Spirituosen?
- Der Migrationsgrundsatz
- Gruppen von Spirituosen nach Zulassung von Zusatzstoffen
- Kennzeichnungspflichten
- Zusatzstoffe in der Praxis
- Wichtige E-Nummern für Spirituosen
- Aromen in Spirituosen
- Fazit
Warum haben Spirituosen kein Zutatenverzeichnis?
Nach Artikel 9 Abs. 1 b) der EU-Verordnung Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung – LMIV) sind Lebensmittel grundsätzlich mit einem Zutatenverzeichnis zu versehen. Allerdings macht Artikel 16 Abs. 4 LMIV hiervon eine wichtige Ausnahme: Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol.-% benötigen weder Zutatenverzeichnis noch Nährwertdeklaration.
Die EU-Kommission legte zwar 2017 einen Bericht vor, ob diese Ausnahme beibehalten werden soll – geändert hat sich daran bis heute nichts. Zwar gibt es Diskussionen über mehr Transparenz bei alkoholischen Getränken, eine verpflichtende Zutaten- oder Nährwertkennzeichnung für Spirituosen existiert Stand 2025 aber nicht.
Einzelne EU-Mitgliedstaaten haben ergänzende Vorschriften erlassen, die für bestimmte Produkte oder Zutaten strengere Kennzeichnungspflichten festlegen. Dadurch kommt es vor, dass ein nach deutschem Recht korrekt etikettiertes Produkt nicht überall in der EU dieselben Vorgaben erfüllt.
Rechtliche Grundlagen
Europäisches Recht
Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe: Sie bildet die Basis und enthält die Positivliste aller zugelassenen Zusatzstoffe.
Verordnung (EU) 2019/787 über Spirituosen: Seit 2021 gültig, ersetzt die frühere Verordnung (EG) 110/2008. Sie definiert Begriffe, Herstellungsweisen, geografische Angaben und Etikettierungsvorgaben.
Verordnung (EU) 2024/374: Aktualisierte Anfang 2024 Anhang II der Zusatzstoffverordnung und betrifft speziell alkoholische Getränke. Beispiel: Wodka darf künftig nicht mehr gefärbt werden.
Nationales Recht
Die deutsche Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV) gilt ergänzend, soweit sie nicht von EU-Recht verdrängt wird. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hält sie seit Jahren für überarbeitungsbedürftig – was zeigt, dass die entscheidenden Vorgaben längst auf EU-Ebene liegen.
Was sind Zusatzstoffe?
Nach Artikel 3 Abs. 2 a) der Verordnung (EG) 1333/2008 ist ein Lebensmittelzusatzstoff ein Stoff, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat verwendet wird, sondern einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzt wird.
Die Verordnung unterscheidet 27 Funktionsklassen, von denen für Spirituosen vor allem Süßungsmittel, Farbstoffe, Antioxidationsmittel, Emulgatoren, Stabilisatoren, Säureregulatoren und Verdickungsmittel relevant sind. Insgesamt sind derzeit rund 330 Zusatzstoffe zugelassen.
Warum sind Zusatzstoffe in Spirituosen?
Die Gründe liegen meist in Haltbarkeit, Farbe, Geschmackskonstanz oder Konsistenz.
Antioxidationsmittel: Schützen Spirituosen (v. a. Liköre) nach dem Öffnen vor Oxidation und Farbveränderung.
Emulgatoren: Unverzichtbar bei Milch- und Sahnelikören (z. B. E 471), um Fett und Wasser zu verbinden.
Farbstoffe: Bei weitem die wichtigste Zusatzstoffgruppe. Einheitliche Farbgebung ist für viele Marken zentral. Auch hochwertige Whiskys und Rums enthalten oft Zuckerkulör (E 150a–d).
Konservierungsstoffe: Eigentlich verboten, Ausnahme: Williamsbrand mit ganzer Birne (Sulfite E 220–E 228).
Säuerungsmittel und Säureregulatoren: Dienen zur Steuerung von Geschmack und Stabilität, häufig Citronensäure (E 330) oder Natriumcitrat (E 331).
Stabilisatoren: Sorgen dafür, dass sich Emulsionen nicht wieder trennen, z. B. Gummi arabicum (E 414).
Süßungsmittel: In Spirituosen nur in Likören zugelassen (z. B. Sorbit, Xylit, Erythrit). Praktisch jedoch selten.
Verdickungsmittel: Dienen zur Erhöhung der Viskosität, z. B. in Likören mit Schwebstoffen (E 418 Gellan).
Der Migrationsgrundsatz
Ein Schlüsselkonzept ist der Artikel 18 LMZV (1333/2008): Zusatzstoffe dürfen auch dann im Endprodukt enthalten sein, wenn sie über eine zugelassene Zutat hineingelangen. Dadurch erweitern sich die zulässigen Stoffe erheblich. Einschränkungen gelten aber, etwa bei Farbstoffen für bestimmte Spirituosen (Whisky, Rum etc.). Hier sind nur primär zugelassene Farbstoffe erlaubt.
Gruppen von Spirituosen nach Zulassung von Zusatzstoffen
Die Verordnung unterscheidet verschiedene Gruppen:
- Gruppe 1: Streng reguliert, meist nur Farbstoffe oder bestimmte Phosphate erlaubt. Beispiel: Whisky (nur E 150a).
- Gruppe 2: Erlaubt zusätzliche Farbstoffe, Emulgatoren oder Stabilisatoren – abhängig von der Unterkategorie (z. B. Wodka, Gin, Eierlikör).
- Gruppe 3: Umfassend reguliert, gilt vor allem für Liköre. Hier sind fast alle Zusatzstoffgruppen erlaubt, inkl. Süßungsmittel, Stabilisatoren und Edelmetallfarben (E 174 Silber, E 175 Gold).
Diese Einteilung gilt weiterhin – angepasst an die aktuelle Positivliste von 2024.
Kennzeichnungspflichten
Laut § 9 ZZulV müssen Zusatzstoffe nicht immer mit ihrer E-Nummer genannt werden. Stattdessen reicht oft eine Sammelbezeichnung:
- „mit Farbstoff"
- „mit Konservierungsstoff" / „konserviert"
- „mit Antioxidationsmittel"
- „mit Süßungsmittel"
Allergenhinweise (z. B. „enthält Sulfite") sind verpflichtend nach LMIV.
Nicht kennzeichnungspflichtig sind in der Regel: Emulgatoren, Stabilisatoren, Säureregulatoren und Verdickungsmittel.
Zusatzstoffe in der Praxis
Williamsbrand mit Birne: Darf Sulfite enthalten, um die Birne vor Bräunung zu schützen (kennzeichnungspflichtig als Allergen).
Liköre mit Ei: Dürfen zusätzlich den Stabilisator Karaya (E 416) enthalten.
Trübe Spirituosen: Häufig Einsatz von Glycerinestern (E 445) als Stabilisator.
Wichtige E-Nummern für Spirituosen
Farbstoffe
- Gruppe 1c (Rum, Brandy, Getreidespirituosen, Cognac, Grappa): E 150a–d (Zuckerkulör in verschiedenen Herstellungsarten).
- Gruppe 2a (Wodka, Gin, Anis, Bitter etc.): Neben E 150a–d auch weitere Farbstoffe wie E 101 (Riboflavin), E 140–E 141 (Chlorophylle), E 153 (Pflanzenkohle), E 160a (Carotin), E 162 (Betanin), E 170 (Calciumcarbonat), E 171 (Titandioxid), E 172 (Eisenoxide).
- Liköre (Gruppe 3): Zusätzlich E 160b (Annatto), E 174 (Silber), E 175 (Gold).
- Einschränkungen 2024: Wodka darf nicht mehr mit Farbstoffen wie E 104, E 110, E 123, E 124 gefärbt werden.
Süßungsmittel (nur für Liköre)
- E 420 Sorbit
- E 421 Mannit
- E 953 Isomalt
- E 965 Maltit
- E 966 Lactit
- E 967 Xylit
- E 968 Erythrit
Emulgatoren und Stabilisatoren
- E 471 Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren (über Migration in Sahnelikören)
- E 473 Zuckerester von Speisefettsäuren
- E 474 Zuckerglyceride
- E 475 Polyglycerinester
- E 481–482 Lactylate
- E 414 Gummi arabicum
- E 440 Pektine
- E 445 Glycerinester aus Wurzelharz (z. B. in trüben Likören)
- E 416 Karaya (nur für Eierlikör)
Säureregulatoren
- E 330 Citronensäure
- E 331 Natriumcitrate
- Phosphate (E 338–E 452) mit Mengenbeschränkung
Konservierungsstoffe
Eigentlich verboten – Ausnahme: Williamsbrand mit ganzer Birne (E 220–E 228 Sulfite, max. 50 mg/l, Kennzeichnung „enthält Sulfite").
Aromen in Spirituosen
Neben Zusatzstoffen spielen Aromen eine große Rolle, insbesondere bei Likören, Kräuterspirituosen und aromatisierten Bränden.
Die Verordnung (EG) 1334/2008 über Aromen regelt:
Zulassung: Nur in der EU zugelassene Aromastoffe dürfen verwendet werden.
Definitionen: „natürlich" darf ein Aroma nur heißen, wenn es vollständig aus natürlichen Ausgangsstoffen gewonnen wird (z. B. „natürliches Vanillearoma").
Kennzeichnung: Auch wenn Spirituosen kein Zutatenverzeichnis brauchen, dürfen „natürliche" Aromen nur deklariert werden, wenn sie den engen gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Beispiele:
- Kräuterliköre enthalten meist komplexe Mischungen aus natürlichen Aromastoffen.
- Fruchtliköre können mit natürlichen Fruchtauszügen oder mit „natürlichen Aromen mit Fruchtgeschmack" hergestellt sein.
Fazit
Die rechtlichen Vorgaben für Zusatzstoffe in Spirituosen sind komplex und für Verbraucher oft schwer durchschaubar. Während andere Lebensmittel detaillierte Zutatenlisten tragen, bleibt bei alkoholhaltigen Getränken über 1,2 Vol.-% die Transparenz eingeschränkt. Nur wenige Hinweise wie „mit Farbstoff" oder „enthält Sulfite" sind verpflichtend, viele andere eingesetzte Stoffe bleiben unerwähnt.
Zulässig sind ausschließlich die in den europäischen Positivlisten aufgeführten Zusatzstoffe. Welche Stoffe konkret eingesetzt werden dürfen, hängt stark von der jeweiligen Spirituosenkategorie ab – besonders restriktiv etwa bei Whisky, großzügiger bei Likören. Die wichtigsten Zusatzstoffe in der Praxis sind Farbstoffe, daneben kommen Stabilisatoren, Emulgatoren oder Süßungsmittel in speziellen Fällen hinzu.
Für Hersteller bedeutet dies ein enges Korsett aus EU-Verordnungen und nationalem Recht, das zugleich einheitliche Wettbewerbsbedingungen sichern und Verbraucherschutz gewährleisten soll. Für Konsumenten jedoch bleibt oft unklar, welche Stoffe tatsächlich enthalten sind. Die Kennzeichnung „mit Farbstoff" oder „mit Süßungsmittel" vermittelt nur einen groben Eindruck, ersetzt aber kein vollständiges Zutatenverzeichnis.
Am Ende zeigt sich: Zusatzstoffe in Spirituosen sind rechtlich streng geregelt, praktisch weit verbreitet – und bleiben doch ein Bereich, in dem die Balance zwischen technologischer Notwendigkeit, Verbrauchererwartung und Transparenz immer wieder neu verhandelt wird.
Begleitvideos zum Artikel
Danke für Ihren Besuch!
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Dann stöbern Sie in unserem Magazin und entdecken Sie weitere spannende Artikel rund um Spirituosen und Liköre – zum Beispiel: